Freitag, 29. April 2016
Gefangener - 162 Monate


Es nimmt kein Ende. Ich beobachte mein Verhalten und ich kann es nicht ändern, mir fehlt die Willenskraft. Es wird schlimmer und schlimmer, es schlägt durch bis tief in die Psyche. Ich sehne mich nach Drogen, nach Schmerzmittel. Ich denke daran, mich in eine Klinik einzuweisen.
Wenn es so weiter geht, werde ich wohl wieder Alkohol oder andere Substanzen nutzen müssen, um weiter zu funktionieren. Ich bin müde, es zermürbt mich. Mein Widerstand wird schwächer.

Ich bin wach geblieben, um es endlich zum Arzt zu schaffen. Ich schaffe es wieder nicht. Ist ja erst das 7. Mal, an dem ich das versuche...
Die Zeiten die ich wieder Kraft finde, haben sich die letzten Wochen auf wenige Stunden reduziert.

Ich weiß grade wirklich nicht, ob ich es schaffe, ob ich es weiter schaffen will, mich so im Griff zu haben. Gefangen in einem Körper. Gefangen in einem unerträglichen Leben. Gefangen in einem Gefängnis aus Schmerz. Verurteilt zum Dasein. Ohne Ausweg. Nur die Suche nach einer Lösung, die nicht kommt. Da ist der Ausweg.

Loslassen. Wie kann ich loslassen? Wie existiere ich fort, wenn ich mich nicht zum Essen zwinge, wenn ich mich vernachlässige, mich nicht von Drogen abhalte. Wie soll ich loslassen, wenn ich soviel mit Zwang erhalten muss, mich erhalten.

Meine Hände Zittern. Mein Körper. Ich blicke mir in die Augen und sehe Traurigkeit, Müdigkeit, Ermattung.

162 Monate, Dreizehneinhalb Jahre


In meiner Vorstellung, schlage ich meinen Kopf gegen meine Tischplatte. Ich spüre entfernte Wut, über diese Ausweglosigkeit, in welcher ich nicht weiter komme aber sonst auch nirgends hin kann. Es ist weit weg, denn ich bin so schwach, so kraftlos.

Wie lerne ich loslassen, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen. Sterben kommt genauso wie Aufgeben einfach nicht in Frage. Kann ich loslassen und mich selbst weiter beobachten wie ich mir das angewöhnt habe? Darf ich die Selbstbeobachtung abschalten? Kann ich das? Sie ist u.a. mein Schutz, keine Dummheiten anzustellen.

Die letzten Tage, wechselten die Empfindungen relativ schnell ab. Wut, Trauer, Kraft schöpfen, Kraftlosigkeit, Antriebslosigkeit.

Zu schnell. Es ist nicht mehr im Rhythmus, etwas hat sich geändert.

Der Alkohol, den ich mir erlaubt habe, beginnt zu wirken. Ich fühle mich etwas weiter weg von meinem weiter weg Gefühl. Es ist nur eine Krücke und sie hilft nur ein wenig.
Ich will nicht zurück, wie damals, als ich fast jeden Tag, ein paar Bier benutzt habe. Es war nie extrem, ich hielt mich auch dabei an meine Kontrolle und es war weit davon entfernt zu entgleisen. Dennoch.

Verflucht. Ich denke und denke und kontrolliere. Ich habe zuviel Angst was passiert wenn ich es lasse. Verfalle ich dann dem Alkohol? Höre ich auf zu Essen?
Wie lange habe ich noch die Wahl das zu bestimmen? Nehme ich dann das Schmerzmittel was nach wie vor, in meinem Schrank liegt?
Es wäre ein Vertrauensverlust gegenüber meinen Ärzten und eine persönliche Niederlage für mich.

Quäle ich mich unnötig?

Einfach die Luft anhalten und nicht mehr Atmen.
Mich hinlegen und nie wieder bewegen.
Schlafen gehen und nicht mehr aufwachen.
Nichts mehr Essen.
Das Herz anhalten.
Alkohol trinken und den Zustand dauerhaft behalten.
Nichts mehr spüren.
Keinen Körper mehr haben und dann Sterben.

Wo ist der verfickte Ausgang, wo ist die Lösung für meinen Schmerz?

Ich verkneif es mir, mich auf den Kopf zu schlagen. Ist sowieso sinnlos, weiß ich schon. Danach tun nur die Hände weh ^^
Nichts werd besser. Aber ich würde meinen Kopf gerne solange gegen irgend etwas hämmern, bis die Lösung kommt oder ich einfach nichts mehr spüre.

Es ist sinnlos. So sinnlos. Und wenn ich nicht wüsste, das alles einem Sinn folgt, wäre es einfach. Dann könnte ich mich wieder nach dem Tod sehnen, oder sterben. Danach wäre zwar nichts besser, aber das hätte ich dann nicht gewusst.

Was will mir das Leben sagen? Oder sind es energetische Angriffe, ein letzter Versuch vor dem Ende?

Seit Wochen, nehme ich Gefühle anderer nicht mehr bewusst wahr. Ich hab trotzdem nicht das Gefühl das sie weg wären und mich nicht mehr belasten. Aber sie sind nicht bewusst fühlbar. Trotzdem ist da keine Entspannung. Bin ich zu überlastet? Geht es darum?

Wie hört man auf zu denken, ohne etwas aktiv zu tun. Denn das kann ich die meiste Zeit nicht wirklich.

Ein leichtes, beim Sex, beim Sport, beim Basteln in Trance zu geraten und nicht mehr (glaube ich) zu denken. Aber wenn nichts bleibt, wenn man still liegen bleiben muss. Wenn Schmerz wie ein Triebwerk im Gehirn tobt? Wenn nichts zu tun ist, wenn nichts mehr Spass macht, wenn Ablenkung nervt aber man sie verfolgen muss, um klar zu kommen, wenn jede Tätigkeit oder Bewegung zu mehr Schmerz führt? Wie lässt man los, wie hört man auf zu denken?

Es wird Tag, es wird Nacht und wieder Tag. Die Welt zieht ohne mich an mir vorbei. Die Welt, an der ich so gerne Teilnehmen würde und nicht kann. Tag, Nacht, Tag, Nacht, die einzige Konstante ist der Schmerz und der ist Zeitlos.

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Verwurzelt in fließend Wasser
Hi!
Wie geht´s so?
(Sorry, mir ist nichts besseres eingefallen.)
Lg, Juli

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